Mit Künstlicher Intelligenz beginnt ein neues Kapitel schulischer Bildung. Zwischen personalisierten Lernwegen und inklusiven Möglichkeiten entstehen Chancen, aber auch Risiken. Gleichzeitig fordern neue Technologien Schulen und Politik heraus, Verantwortung zu übernehmen: Wie kann digitale Mündigkeit gestärkt werden, ohne Chancengerechtigkeit oder pädagogische Qualität zu gefährden? Und welche Rolle spielt der Mensch in einer Lernwelt, die immer digitaler wird?
Erinnern wir uns an die Schule von damals: Das Lernen war über Jahrhunderte primär an Bücher, die Tafel und die sprachliche Vermittlung gebunden. Mit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zogen zunächst Taschenrechner und die ersten Computer in die Klassenzimmer ein. Die Digitalisierung an österreichischen Schulen wurde seit 2020 durch den 8-Punkte-Plan Digitale Schule – welcher im Zuge des Masterplans Digitalisierung initiiert wurde – vorangetrieben. Der Plan umfasst unter anderem den Ausbau der schulischen Basis-IT-Infrastruktur und die Ausstattung von Schulstandorten mit mobilen Endgeräten, Tablets, Laptops und interaktiven Whiteboards, um multimediale Unterrichtsgestaltung zu ermöglichen und Schule zukunftsfit zu machen.
Doch jüngste technologische Fortschritte stellen alle bisherigen Entwicklungen in den Schatten: Der Einzug der Generativen Künstlichen Intelligenz (KI), insbesondere das kostenfreie Release von Chatbots wie ChatGPT im November 2022, entfaltet eine Disruption im Bildungsbereich. In Österreich nutzen laut einer Studie der JKU Linz (05/2025) mehr als die Hälfte der Lehrkräfte (56 Prozent) KI bereits aktiv im Schulalltag, primär zur Unterrichtsvorbereitung. Ein Drittel der Lehrkräfte von weiterführenden Schulen ermutigt Schüler:innen bereits zur aktiven KI-Nutzung.
Moderne Pädagogik, die digitale Mündigkeit aktiv fördert
Wenn man sich mit dem Thema näher beschäftigt, ist die Unklarheit, die an Schulen bezüglich Künstlicher Intelligenz herrscht, spürbar. Man kann jedenfalls festhalten, dass Pädagogik versuchen muss, mit der rasanten technologischen Entwicklung mitzuhalten, da KI längst im Alltag Jugendlicher angekommen ist. Laut einer Studie, die mehrere europäische Länder untersuchte, verwenden Schüler:innen KI im Lernkontext außerhalb der Schule auf vielfältige Weise: Mehr als die Hälfte (56 Prozent) nutzt KI zur Informationsbeschaffung, beinahe jede:r Zweite (45 Prozent) zur Erklärung von Begriffen und Konzepten und rund ein Drittel (31 Prozent) zur Bereitstellung vollständiger Lösungen von Aufgaben. Im Bereich der Planung und Strukturierung personalisierter Lernwege greifen lediglich 20 Prozent der Schüler:innen auf KI zurück. Jugendliche sind somit keine rein passiven Konsument:innen von KI, sondern sie verwenden generative KI-Anwendungen aktiv zur Informationsbeschaffung, Texterstellung sowie Bildgenerierung.
Wagen wir nun die nicht allzu waghalsige Prognose und behaupten, dass KI-Anwendungen aus dem schulischen Kontext zukünftig nicht mehr wegzudenken sind. Auf dieses durchaus realistische Zukunftsszenario muss sich Pädagogik einlassen und digitale Mündigkeit der Jugendlichen als Ziel definieren. Entscheidend für diesen Prozess ist es, dass die Didaktik die Unterscheidung zwischen dem unangeleiteten Alltagsgebrauch und dem geplanten Einsatz im Unterricht wahrnimmt. Im täglichen Gebrauchwird KI oft impulsiv zur schnellen Problemlösung genutzt (z. B. Zusammenfassen eines Textes für die Hausübung, ohne diesen zu lesen). Hier besteht die Gefahr der Lernoberflächlichkeit und des kognitiven Offloadings (Übertragung von Denkaufgaben an Hilfsmittel, wie z. B. generative KI). Um dies zu vermeiden, kannKI in der Didaktik gezielt als kreatives Werkzeug oder Reflexionspartner eingesetzt werden, um Diskussionen anzustoßen, Perspektiven aufzuzeigen und komplexe Themen verständlicher zu machen.
Digital mündig können Jugendliche nur werden, wenn ihnen Kompetenzen wie AI Literacy und Critical Thinking vermittelt werden.
- AI Literacy: Ziel ist es, Fähigkeiten zu entwickeln, um KI-Systeme kritisch zu evaluieren, effektiv mit ihnen zu kommunizieren (Prompting) und ihre ethischen sowie gesellschaftlichen Auswirkungen zu verstehen.
- Critical Thinking: Kritisches Denken meint in diesem Zusammenhang die Fähigkeit, KI-generierte Inhalte auf Bias, Fehler und Plausibilität zu überprüfen.
Man kann festhalten, dass der KI-Einsatz im Kontext von schulischer Bildung nur dann erfolgreich sein und einen Mehrwert für alle Beteiligten haben kann, wenn eine moderne Pädagogik die digitale Mündigkeit aktiv fördert.
Die Forderung nach AI Literacy und Critical Thinking als Basis der digitalen Mündigkeit lenkt den Blick auf die praktische Anwendung: Welche Potenziale eröffnet Künstliche Intelligenz, um Lernprozesse individueller und kreativer zu gestalten, und welche Herausforderungen ergeben sich daraus für den Schulalltag?
KI als Werkzeug für vielfältigere und individuelle Lernprozesse
Künstliche Intelligenz bietet eine Reihe von Chancen, die im Folgenden näher betrachtet werden sollen.
Entscheidend ist dabei vor allem, wie KI didaktisch eingebettet wird: Nicht als Ersatz für Lehrkräfte, sondern als Werkzeug, das Lernprozesse vielfältiger und individueller gestalten kann.
Einige Potenziale lassen sich besonders hervorheben:
- Individuelle Förderung und Personalisierung: KI-Systeme können Lernmaterialien an das jeweilige Niveau einzelner Schüler:innen anpassen.
- Neue kreative Lernformen: Generative KI eröffnet Schüler:innen neue Möglichkeiten, mit Wissen umzugehen: Texte verfassen oder verändern, Bilder gestalten oder Musik generieren – es entsteht ein kreativer Raum, um Ergebnisse zu vergleichen, kritisch zu bewerten und eigene Lösungen zu entwickeln.
- Sprachliche Unterstützung und Inklusion: KI-gestützte Übersetzungen oder Vorlesefunktionen können Barrieren abbauen. Davon profitieren sowohl Menschen mit Beeinträchtigungen als auch Schüler:innen mit Förderbedarf beim Lesen und Schreiben.
- Problemlösekompetenz stärken: Durch KI lassen sich Szenarien simulieren, die verschiedene Lösungswege zulassen, wie ein gesellschaftliches oder ökologisches Gedankenexperiment. Außerdem können verschiedene Sichtweisen zu einem Thema anhand von Rollenspielen eingenommen werden.
Die Potenziale sind groß, doch sie entfalten sich nur, wenn KI pädagogisch sinnvoll in den Unterricht eingebettet wird. Lehrkräfte bleiben unverzichtbar – als Begleiter:innen und Impulsgeber:innen. Die Technik kann neue Lernwege öffnen, die ohne sie schwer zugänglich wären.
Risiken und Herausforderungen
So groß die Potenziale von Künstlicher Intelligenz im schulischen Lernen sind, so deutlich müssen auch die Risiken benannt werden. Denn ohne einen kritischen, reflektierten Einsatz drohen Entwicklungen, die Lernprozesse eher schwächen als stärken.
- Datenschutz: In Zusammenhang mit KI-Systemen wird zu Recht kaum ein Kritikpunkt häufiger genannt als Datenschutz. Insbesondere im Schulkontext betrifft das sehr sensible Informationen über Kinder und Jugendliche. Es braucht rechtliche Klarheit und geprüfte Systeme, die den Schutz der Schüler:innen – und der Lehrkräfte – gewährleisten.
- Lernoberflächlichkeit: Eine der Gefahren besteht darin, dass Schüler:innen Ergebnisse von KI einfach übernehmen, ohne diese zu verstehen. Das Wissen bleibt in diesem Fall an der Oberfläche und Kompetenzen wie kritisches Denken werden nicht entwickelt. Entscheidend ist daher, dass Lehrkräfte Aufgabenstellungen so gestalten, dass Reflexion, Begründung und eigene Positionierung gefordert werden, um u.a. das oben erwähnte kognitive Offloading zu vermeiden.
- Fehlinformation und Bias: KI-Systeme liefern keine „Wahrheiten“, sondern generieren statistisch wahrscheinliche Antworten. Dabei können Fehler, Verzerrungen oder Stereotype entstehen. Für den Unterricht bedeutet das: Schüler:innen brauchen die Kompetenz, KI-Ergebnisse kritisch zu prüfen, Quellen zu hinterfragen und nicht alle Inhalte unreflektiert zu übernehmen.
- Verstärkung von Ungleichheiten: Der Einsatz von KI im Unterricht kann bestehende soziale Unterschiede verschärfen. Schulen mit guter digitaler Ausstattung können KI sinnvoll einsetzen, während andere zurückfallen. Hier braucht es politische Antworten, etwa durch gezielte Investitionen in die digitale Infrastruktur von Schulen.
- Rolle der Lehrkräfte: Der Einsatz von KI darf nicht dazu führen, dass die professionelle Rolle von Lehrkräften geschwächt oder Personal eingespart wird. Denn klar ist: Keine KI kann pädagogische Kompetenz, zwischenmenschliche Beziehungen oder Empathie ersetzen. Lehrkräfte bleiben die zentrale Instanz, die Lernprozesse anleitet, reflektiert und kritisch begleitet. Ihre Rolle durchläuft einen Wandel – weg von der reinen Wissensvermittlung hin zur Gestaltung von kreativen Lernräumen, in denen KI sinnvoll genutzt werden kann.
Risiken sind kein Grund, KI aus den Schulen fernzuhalten. Notwendig sind klare Rahmenbedingungen, gezielte Investitionen in Ausstattung und Ausbildung sowie eine Diskussion darüber, wie Chancengerechtigkeit, Datenschutz und pädagogische Professionalität auch im Zeitalter der KI gesichert werden können.
KI muss im Dienst der Chancengerechtigkeit stehen
Betrachtet man den Einsatz von KI in der Schule unter dem Gesichtspunkt der Chancengerechtigkeit, hat diese neue Technologie durchaus das Potenzial, positiv auf die Bildungslandschaft zu wirken. Das gelingt jedoch nur dann, wenn Politik Rahmenbedingungen schafft, um Ungleichheiten zu verhindern, Arbeitsbedingungen zu schützen und Mitbestimmung zu ermöglichen:
- Bildungsgerechtigkeit sichern: KI soll aktiv zur Individualisierung von Lernprozessen genutzt werden, um Schüler:innen mit unterschiedlichen Voraussetzungen gezielt zu fördern (z. B. Mehrsprachigkeitsförderung). Dafür ist eine bedarfsorientierte Schulfinanzierung (wie im AK-Chancen-Index beschrieben) wichtig, um soziale Ungleichheiten nicht zu vertiefen.
- Schutz und Förderung des Lehrpersonals: Die Rolle der Lehrkraft ist, insbesondere im KI-Zeitalter, unverzichtbar. Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz darf weder zu einer Schwächung der Profession oder gar zu Personaleinsparungen führen. Lehrkräften muss ein umfassendes Aus- und Weiterbildungsangebot zur Verfügung stehen, um einen professionellen Umgang mit dieser Technologie zu ermöglichen.
- Demokratische Mitbestimmung: Bei der Entwicklung und Implementierung von KI-Strategien in der Schule sollen Lehrkräfte, Schüler:innenvertretungen (z. B. Bundeschülervertretung) und Elternvertretungen (z. B. Bundeselternvertretung) aktiv in den Prozess eingebunden werden, um einen verantwortungsvollen Einsatz zu gewährleisten.
Künstliche Intelligenz kann nur dann ein Gewinn für Bildung, insbesondere für Schule sein, wenn diese aktiv genutzt wird, um soziale Gerechtigkeit zu fördern.
Autor:innenhinweis: Zur Unterstützung bei der Ideenfindung, Gliederung und Recherche wurde ein KI-gestütztes Tool verwendet.