Im aktuellen Regierungsprogramm wird eine Ausweitung der steuerlichen Überstundenbegünstigung in Aussicht gestellt, mit dem Ziel, das Ausmaß der geleisteten Arbeitsstunden zu erhöhen. Die derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen in Österreich führen allerdings dazu, dass viele Arbeitnehmer:innen von einer solchen Reform nur eingeschränkt oder gar nicht profitieren würden. Auch eine französische Studie zeigt, dass die gewünschten Effekte nicht eintreten.
Aktuelle Rechtslage in Österreich
Der Überstundengrundlohn ist stets steuer- und sozialversicherungspflichtig. Für die Zuschläge sieht § 68 Abs 2 EStG allerdings eine Steuerbefreiung in einem bestimmten Umfang vor: So sind Zuschläge für die ersten zehn Überstunden im Monat im Ausmaß von höchstens 50 Prozent des Grundlohnes, insgesamt jedoch höchstens 120 Euro monatlich, steuerfrei. Für die Kalenderjahre 2024 und 2025 gibt es eine Ausweitung: In diesem Zeitraum sind Zuschläge für die ersten 18 Überstunden im Monat bis zu höchstens 200 Euro steuerfrei. Die Befreiung betrifft lediglich die Lohnsteuer, auch die Zuschläge sind daher jedenfalls sozialversicherungspflichtig.
Als Überstundenzuschläge gelten auch Zuschläge für Mehrarbeit, die sich aufgrund der verkürzten kollektivvertraglichen Normalarbeitszeit ergibt. Nicht umfasst sind allerdings Mehrarbeitszuschläge (25 Prozent) im Sinne des § 19d Abs 3a AZG für Teilzeitbeschäftigte.
Viele Arbeitnehmer:innen profitieren gar nicht von der bestehenden Überstundenbegünstigung
Im Zusammenhang mit arbeitszeitrechtlichen Durchrechnungsmodellen (z. B. kollektivvertragliche Durchrechnungszeiträume oder Gleitzeitvereinbarungen) und Überstundenpauschalen bzw. All-in-Verträgen besteht die Problematik, dass die steuerliche Überstundenbegünstigung in den meisten Fällen gar nicht bzw. nur sehr eingeschränkt zur Anwendung gelangt.
Im Hinblick auf Durchrechnungsmodelle lässt sich dies gut anhand der Gleitzeit veranschaulichen: Bei Gleitzeitvereinbarungen ist bezüglich Zeitguthaben, die aus Plusstunden innerhalb des Gleitzeitrahmens resultieren, bis zum Ende der Gleitzeitperiode – sofern keine entsprechende Anordnung vorliegt – grundsätzlich von Normalarbeitszeit auszugehen. Dies ergibt sich daraus, dass Zeitguthaben, die am Ende einer Gleitzeitperiode nach der Gleitzeitvereinbarung in die nächste Gleitzeitperiode übertragen werden können, keine Überstunden darstellen (§ 6 Abs 1a AZG). Das bedeutet im Umkehrschluss, dass nicht übertragbare Guthaben wiederum zu Überstunden werden.
Die am Ende der Gleitzeitperiode bestehenden Zeitguthaben können allerdings keinem bestimmten Zeitraum zugeordnet werden, da sie bloß den Saldo aus Plus- und Minusstunden bilden. Übersteigt das Zeitguthaben am Ende der Gleitzeitperiode das Ausmaß der nach der Gleitzeitvereinbarung übertragungsfähigen Stunden, so wird dieser Überhang zu Überstunden. Diese können gleichzeitig aber nur jenem Zeitraum zugeordnet werden, in welchem die Abgeltung ausbezahlt wurde. Die Befreiung des § 68 Abs 2 EStG kann somit für die abgegoltenen Überstunden nur für den Auszahlungsmonat angewendet werden, da erst im Zeitpunkt der Abrechnung (= Ende der Gleitzeitperiode) das Vorliegen von Überstunden beurteilt werden kann.
Dies gilt jedoch nicht für im Rahmen einer Gleitzeitvereinbarung angeordnete Überstunden (z. B. Stunden außerhalb des Gleitzeitrahmens bzw. der täglichen Normalarbeitszeit). Hier kann für die monatlich tatsächlich geleisteten und bezahlten Überstunden die Begünstigung gemäß § 68 Abs 2 EStG sehr wohl berücksichtigt werden. In der Praxis stellen derartige („echte“) Überstunden allerdings eher die Ausnahme dar. Dadurch erweist sich der für die Inanspruchnahme der Steuerfreiheit der Überstundenzuschläge bei Überstundenpauschalen und All-in-Vereinbarungen erforderliche Nachweis, dass im Jahresdurchschnitt auch tatsächlich Überstunden im erforderlichen Ausmaß (Zuschlag maximal 120 Euro bzw. 200 Euro in den Kalenderjahren 2024 und 2025) geleistet werden (siehe auch VwGH 29.7.2025, Ra 2024/15/0050-6), in der Praxis als besonders schwierig.
Nachdem Mehrarbeitszuschläge im Zusammenhang mit einer Teilzeitbeschäftigung jedenfalls steuerpflichtig sind, kann diese Arbeitnehmer:innengruppe – sofern sie nicht auch Überstunden erbringt – an der bestehenden Steuerbegünstigung nicht partizipieren.
Zusammengefasst hat die derzeit geltende steuerliche Überstundenbegünstigung daher das immanente Problem, dass Arbeitnehmer:innen, für die arbeitszeitrechtliche Durchrechnungsmodelle zur Anwendung kommen, nur sehr eingeschränkt profitieren können, Teilzeitbeschäftigte hingegen in der Regel gar nicht. Die Nichtbegünstigung von Mehrarbeitszuschlägen für Teilzeitbeschäftigte führt weiters dazu, dass die bestehende Regelung in erster Linie männlichen Erwerbstätigen zugutekommt, da diese vorwiegend Vollzeit arbeiten und das Gros der Überstunden leisten.
Französische Studie zeigt: Gewünschte Effekte treten nicht ein
In Frankreich wurden 2007 im Zuge einer umfassenden Steuerreform auch Sozialversicherungs- und Steuerbefreiungen für Überstunden eingeführt. Ähnlich wie in Österreich war das Ziel der Reform, mehr Menschen in Beschäftigung zu bekommen und die Arbeitsstunden zu erhöhen.
Die Ökonomen Pierre Cahuc und Stéphane Carcillo erforschten 2014, welche Effekte diese Maßnahme hatte und ob sich die Arbeitszeit tatsächlich erhöhte. Um dies zu untersuchen, verglichen die Wissenschaftler Beschäftigte in der Grenzregion Frankreichs. Die Idee dahinter: Nur wer in Frankreich lebt und arbeitet, profitiert in vollem Ausmaß von der Überstundenbegünstigung. Wenn jemand im Ausland arbeitet und in Frankreich wohnt, galt die Befreiung von der Sozialversicherung gar nicht und jene von der Steuer erst Jahre später.
Durch den Vergleich der beiden Gruppen zeigte sich: Die Reform hatte keinen Effekt auf die insgesamt gearbeiteten Stunden. Nachgewiesen wurde allerdings eine Erhöhung der erfassten Überstunden. Doch wie lässt sich der Anstieg der erfassten Überstunden bei gleichzeitig konstantem Volumen der geleisteten Überstunden erklären?
Um diese Frage zu klären, teilten die Forscher die untersuchten Beschäftigten in zwei Gruppen:
• Arbeitnehmer:innen, die ihre Arbeitszeiten (und damit auch ihre Überstunden) genau aufzeichnen müssen (etwa mittels Stechuhren) und deren Überstunden daher genau nachvollziehbar sind (mit 67 Prozent der Großteil) und
• Arbeitnehmer:innen, die sich ihre Arbeitszeit, z. B. aufgrund von Gleitzeit oder Homeoffice, freier einteilen können. Diese Gruppe hat somit auch die Möglichkeit, ihre Überstunden stärker zu steuern. Meist handelt es sich dabei um hochqualifizierte Besserverdiener:innen.
In der Untersuchung der einzelnen Gruppen zeigte sich, dass Arbeitnehmer:innen mit flexibleren Arbeitszeiten den Gesamtanstieg der Überstunden antrieben. Während in beiden Gruppen die Gesamtanzahl der Arbeitsstunden konstant geblieben ist, haben sich die erfassten Überstunden bei der Gruppe mit flexiblen Arbeitszeiten hingegen stärker erhöht als bei jenen mit genauer Aufzeichnung. Die Begünstigung ist also vor allem Besserverdiener:innen zugutegekommen.
Die Abgabenbegünstigung führte somit nicht dazu, dass insgesamt mehr Arbeitsstunden geleistet wurden, sondern hatte lediglich zur Folge, dass die erfassten Überstunden anstiegen. Hochqualifizierte Arbeitnehmer:innen mit weitgehend flexibler Arbeitszeitverteilung, bei denen die Stundenaufzeichnungen nur schwer überprüfbar sind, nutzten die Regelung hingegen aus, um ihre Steuerbelastung zu optimieren. Neben den hohen Kosten (rund 4,4 Mrd. Euro pro Jahr) ist von der Reform also wenig übriggeblieben.
Fazit
Im aktuellen Regierungsprogramm wird eine Ausweitung der Steuerbegünstigung für Überstunden in Aussicht gestellt: „Um klare Leistungsanreize zu setzen und das Ausmaß geleisteter Arbeitsstunden in Österreich zu erhöhen, bekennt sich die Bundesregierung dazu, Überstunden bzw. Zuschläge steuerlich besser zu begünstigen.“ (S. 24)
Eine derartige Ausweitung der steuerlichen Überstundenbegünstigung erscheint unseres Erachtens allerdings nicht zielführend, da nicht davon auszugehen ist, dass diese Maßnahme zu einer Erhöhung des Arbeitsvolumens führt, sondern in erster Linie Mitnahmeeffekte nach sich zieht. Zudem wären vor allem besserverdienende Männer Begünstigte dieser Reform, während viele Arbeitnehmer:innen gar nicht oder nur sehr eingeschränkt profitieren könnten. Somit würden dem Staat wichtige Einnahmen entfallen, ohne dass die gewünschte Lenkungswirkung erzielt wird. Gerade in Zeiten budgetärer Engpässe sollte vielmehr darauf geachtet werden, die staatlichen Mittel treffsicher und effizient einzusetzen.