Wie Kreislauf­wirtschaft Arbeits­plätze und den Plane­ten retten kann

13. August 2025

Weniger verbrauchen, länger nutzen, wiederverwerten: Die Kreislaufwirtschaft schont Ressourcen, schafft Arbeitsplätze und stärkt die regionale Wertschöpfung. Sie kann den übermäßigen Ressourcenverbrauch ins Gleichgewicht bringen – und damit auch Klimakrise und Artensterben einbremsen. Dazu müssen wir sie aber breiter verstehen, als das bisher üblich ist.

Die Kreislaufwirtschaft wächst bereits jetzt stärker als die Gesamtwirtschaft. Laut einer PwC-Studie leisten österreichische Unternehmen in diesem Bereich rund 4,1 Milliarden Euro an Bruttowertschöpfung. Das ist mehr als die Stahlindustrie. Allein in der Abfall- und Ressourcenwirtschaft arbeiten in Österreich 30.000 Menschen. EU-weit werden bis 2030 rund 700.000 neue Jobs in der Kreislaufwirtschaft erwartet. Das sind Menschen, die kaputte Geräte reparieren, Handys zerlegen, um wertvolle Rohstoffe zu gewinnen, Metalle einschmelzen, um daraus wieder neue Produkte zu machen, oder alte Möbel und Kleider in Neues verwandeln. In der Kreislaufwirtschaft geht es darum, Dinge zu erhalten, wiederzuverwenden, neu zu denken – und genau dafür braucht es kluge Köpfe und geschickte Hände. Inmitten einer anhaltenden Rezession sind das gute Nachrichten.

Raus aus der Abhängigkeit

Die Kreislaufwirtschaft ist eine Antwort auf wirtschaftliche, aber auch geopolitische Herausforderungen. Die Volkswirtschaft wächst längst nicht mehr automatisch. Der globale Wettbewerb um knappe Rohstoffe nimmt weiter zu, insbesondere durch den wachsenden Bedarf an Metallen für Batterien, Elektromobilität und erneuerbare Energien. Diese Abhängigkeiten machen Volkswirtschaften verletzlich gegenüber Preisschwankungen, geopolitischen Spannungen und instabilen Lieferketten. Eine starke Kreislaufwirtschaft kann diese Risiken nachweislich abfedern. Wenn wir Rohstoffe, die bereits da sind, stärker wiederverwenden und effizienter nützen, sind wir weniger abhängig von immer neuen, unsicheren Importen. Gleichzeitig senkt die Kreislaufwirtschaft den Bedarf an neuen Rohstoffen, stabilisiert Lieferketten und verlagert Wertschöpfung wieder näher an den Ort der Nutzung.

Neue Arbeitsplätze müssen auch gute sein

Der Umbau zur Kreislaufwirtschaft bringt neue Arbeitsplätze, Tätigkeiten und Anforderungen mit sich. In Bereichen wie Reparatur, Recycling oder Wiederverwendung wächst die Beschäftigung bereits. Gleichzeitig werden in rohstoffintensiven Branchen wie Bergbau, Chemikalien- oder Metallverarbeitung Verschiebungen stattfinden. Die Arbeitswelt wird sich jedenfalls grundlegend wandeln.

Dabei sind sehr unterschiedliche Qualifikationen gefragt: Während im Bereich der Wiederverwendung häufig Menschen mit geringen formalen Abschlüssen tätig sind, braucht es in der industriellen Wiederaufbereitung oder Bioraffinerien hochqualifiziertes Personal. Laut Internationaler Arbeitsorganisation (ILO) müssen weltweit rund 2 Prozent der Beschäftigten neu qualifiziert oder umgeschult werden, um den Anforderungen der Kreislaufwirtschaft gerecht zu werden. Für Österreich fehlen noch detaillierte Analysen. Umso wichtiger ist die von der Bundesregierung angekündigte Analyse von Wertschöpfungs- und Beschäftigungspotenzialen. Sie sollte rasch in eine umfassende Aus- und Weiterbildungsstrategie münden.

Zentral dabei ist, dass auch die Arbeitsbedingungen mitgedacht werden. Denn Kreislaufwirtschaft bedeutet nicht nur andere Formen der Produktion, sondern auch eine Verlagerung hin zu mehr Dienstleistungen: Produkte sollen länger genutzt, geteilt, gepflegt oder repariert werden. Dafür braucht es Wartung, Rücknahme, Leihsysteme oder Reparaturangebote – etwa in Secondhand-Läden oder Reparaturwerkstätten. Dienstleistungsberufe sind oft schlechter bezahlt und weniger abgesichert als etwa Bergbau oder Industrie. Zudem werden sie häufiger von Frauen ausgeübt als letztere.

Gleichzeitig gewinnen im Zuge der Nutzungs- statt Besitzökonomie auch digitale Plattformen an Bedeutung. Wenn etwa weniger Menschen eigene Autos besitzen, steigt der Bedarf an Car-Sharing – und mit ihm auch Plattformen wie Uber. Letztere sind oft von prekären Arbeitsverhältnissen geprägt, bei denen Sozialschutz und faire Bezahlung fehlen. Erfolgreiche Kreislaufwirtschaft muss daher nicht nur Jobs schaffen, sondern auch gute und abgesicherte Arbeit, die Ungleichheiten nicht verstärkt, sondern abbaut.

Kreislaufwirtschaft gegen die Klimakrise

Doch die Kreislaufwirtschaft ist nicht nur ein wirtschaftlicher Hoffnungsträger, sie ist eine ökologische Notwendigkeit. Denn die Art und Weise, wie wir derzeit Ressourcen gewinnen und verarbeiten, bedroht unsere Lebensgrundlagen. Rohstoffabbau und -verarbeitung sind verantwortlich für mehr als die Hälfte der weltweiten Treibhausgasemissionen, für erhebliche gesundheitliche Belastungen und für mehr als 90 Prozent des Verlusts an biologischer Vielfalt. Ohne Gegensteuern wird der globale Ressourcenverbrauch bis 2060 um weitere 60 Prozent steigen.

Kreislaufwirtschaft kann dazu beitragen, unseren Umgang mit Rohstoffen ins Gleichgewicht zu bringen – und damit auch Klimakrise und Artensterben einzubremsen. Damit sie das leisten kann, müssen wir Kreislaufwirtschaft aber breiter verstehen, als das bisher üblich ist. Zu oft wird sie auf Recycling reduziert – das reicht aber nicht. Österreich hat im EU-Vergleich zwar hohe Recyclingquoten, aber dennoch einen der höchsten Ressourcenverbräuche. Echte Kreislaufwirtschaft muss vor allem den Ressourcenverbrauch verringern – durch anderes Design, veränderte Nutzung und Konsumverhalten. Das ist eigentlich auch logisch: Es macht wenig Sinn, den Boden unter der übergegangenen Badewanne zu wischen, aber den Wasserhahn nicht abzudrehen.

Produkte müssen daher robuster, reparaturfreundlicher und modular gestaltet sein. Nicht jeder Haushalt muss jedes Produkt besitzen. Leihläden ermöglichen es, selten genutzte Gegenstände zu teilen, Reparaturwerkstätten sorgen für eine längere Nutzungsdauer. Das stärkt das Handwerk und lokale Märkte und Arbeitsplätze. Voraussetzung ist die notwendige Infrastruktur für Reparatur, Wiederverwendung und gemeinschaftliche Nutzung. Diese muss einfach erreichbar, zugänglich, leistbar und damit insgesamt attraktiver als ein Neukauf sein, um von Konsument:innen auch angenommen zu werden. Vielfach wird eine solche Infrastruktur von zivilgesellschaftlichen Initiativen oder von sozialen Unternehmen bereitgestellt. Gerade Letztere spielen eine wichtige Rolle, weil sie gleichzeitig auch Arbeitsplätze für Menschen schaffen, die auf dem Arbeitsmarkt diskriminiert werden. Soziale Unternehmen bekämpfen damit auch Langzeitarbeitslosigkeit.

Verbindliche Reduktionsziele sind nötig

Derzeit fehlt in vielen Branchen diese Infrastruktur noch. Ein Beispiel dafür ist die Elektro- und Elektronikbranche. Laut aktueller Branchenanalyse ist sie neben der Metall- und Bauwirtschaft eine Schlüsselbranche für die Kreislaufwirtschaft. Die letzten Jahrzehnte über war sie jedoch mit einem Verlust der Reparaturkapazitäten konfrontiert, die wieder aufgebaut werden müssen. Politische Instrumente wie der Reparaturbonus sind wichtige Übergangsmaßnahmen, dieser wurde aber vorübergehend ausgesetzt.

Gleichzeitig braucht es einen übergeordneten rechtlichen Rahmen, der Verbindlichkeit schafft. Österreich trägt bei der Reduktion des Ressourcenverbrauchs eine besondere Verantwortung, denn die Ressourcennutzung und ihre Folgen sind zwischen den Staaten sehr ungleich verteilt. Die im Jahr 2022 verabschiedete österreichische Kreislaufwirtschaftsstrategie war ein wichtiger Schritt. Das darin vorgesehene Kreislaufwirtschaftsgesetz sollte rasch verabschiedet werden, um das in der Strategie festgelegte Reduktionsziel von jährlich 7 Tonnen pro Kopf bis 2050 verbindlich zu machen. Das wäre eine wichtige Ergänzung zum von der Regierung angekündigten Umsetzungsplan der Strategie.

Die Chancen des Umbaus

Wenn wir den Gleichgewichtssinn unserer Wirtschaft stärken, bedeutet das für viele Branchen einen Umbau – aber nicht zwangsläufig einen Rückgang. Das zeigt sich etwa im Bauwesen, das derzeit viele Ressourcen und Energie verbraucht. Um die österreichischen Klima- und Kreislaufwirtschaftsziele zu erreichen, dürften eigentlich keine Neubauten auf unbebauter Fläche mehr entstehen. Das hat eine Studie von WIFO, BOKU und CESAR ergeben. Dieses Ziel mag schwer umsetzbar erscheinen, würde aber keinen Stillstand für die Baubranche bedeuten, sondern einen Wandel: Die Investitionen in Sanierung, Wiederverwendung und Rückbau würden deutlich steigen, neue Märkte schaffen und Jobs sichern. Auch die EU-Kommission erwartet ein Beschäftigungsplus, wenn entsprechende Investitionsprogramme aufgelegt werden.

Aktuell ist die Baubranche noch zu langsam. Ein Kreislaufwirtschaftsgesetz sollte deshalb einen Rahmen für Umdenken und nachhaltiges Wirtschaften schaffen. Darauf aufbauend braucht es Maßnahmen wie gezielte Anreize, eine kreislauforientierte öffentliche Beschaffung und faire Wettbewerbsbedingungen. Auch Maßnahmen wie das Verbot der Vernichtung unverkaufter Waren oder die Reduktion von Einwegprodukten sind einfache, aber wirkungsvolle Schritte, die Ressourcen im Kreislauf halten, ohne Mehrkosten zu verursachen. Was jedenfalls vermieden werden muss: dass der Strukturwandel wie in der Automobilindustrie zu lange ignoriert wird und dann auf Kosten der Beschäftigten ausgetragen wird.

Fazit

Die Kreislaufwirtschaft bietet die Chance auf eine zukunftsfähige Wirtschaft, die unseren übermäßigen Ressourcenverbrauch wieder ins Gleichgewicht bringt – und damit auch Klimakrise und Artensterben einbremst. Sie kann Abhängigkeiten von instabilen globalen Lieferketten reduzieren, regionale Wertschöpfung stärken und neue Arbeitsplätze schaffen. Entscheidend ist, dass dieser Umbau sozial gerecht gestaltet wird. Wenn es gelingt, die Beschäftigten mitzunehmen und die notwendige Infrastruktur sowie verbindliche und faire Rahmenbedingungen zu schaffen, dann ist die Kreislaufwirtschaft nicht nur ein ökologisches Gebot, sondern auch eine enorme wirtschaftliche Chance.

Hinweis: Am 25. und 26. September 2025 findet das 6. Symposium des Netzwerkes „Konsum Neu Denken“ mit dem Titel „Konsuminitiativen als Treiber für Kreislaufwirtschaft und gesellschaftliche Beteiligung. Von Leihläden bis Lebensmittelgenossenschaften“ in der Arbeiterkammer Wien statt. Zur Registrierung

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