Ungleiche Erbschaften, hohe Vermögens­konzentration: Neuer HFCS unterstreicht politischen Handlungs­bedarf

11. Dezember 2025

Neue Vermögensdaten der Oesterreichischen Nationalbank zeigen: Die Vermögenskonzentration in Österreich bleibt auf extrem hohem Niveau. Dass reiche Haushalte am meisten erben, gehört zu den Treibern der Vermögensungleichheit. Die Wiedereinführung einer Erbschaft- und Schenkungsteuer ist dringend geboten: Sie reduziert die Vermögenskonzentration und trägt zur Finanzierung des Sozialstaates bei.

Vermögensungleichheit verharrt auf hohem Niveau

Die Vermögensungleichheit in Österreich gehört zu den höchsten in Europa, während der Anteil an vermögensbezogenen Steuern am gesamten Aufkommen zu den niedrigsten zählt. Die neuesten HFCS-Daten (Household Finance and Consumption Survey) der Oesterreichischen Nationalbank bestätigen, was auch frühere Erhebungen und wissenschaftliche Studien gezeigt haben: Die Ungleichheit bleibt seit Jahren hoch, auch weil die Politik hierzulande nicht gegensteuert.

Um zu den reichsten fünf Prozent der Haushalte zu gehören, brauchte man 2023 (dem Erhebungsjahr) zumindest 1,2 Millionen Euro an Nettovermögen (Besitz abzüglich etwaiger Verschuldung). In der vorhergehenden Welle 2021 reichte dafür noch eine Million Euro. Das mittlere Vermögen (Median) ist gleichzeitig sogar leicht auf 125.000 Euro gesunken.

Die untere Hälfte der Haushalte besitzt praktisch kein nennenswertes Nettovermögen. Ihr Anteil am gesamten Vermögen liegt bei unter vier Prozent, während die obersten zehn Prozent mehr Vermögen als die restlichen 90 Prozent der Bevölkerung zusammen besitzen. Auch in der Vermögenswelt tritt die Ungleichheit zwischen Männern und Frauen zutage: Vergleicht man das Vermögen von Ein-Personen-Haushalten, haben Frauen im Median fast ein Viertel weniger Vermögen als Männer.

Vermögensungleichheit wird unterschätzt

Diese ohnehin schon dramatischen Zahlen zeichnen aber nur ein unvollständiges Bild. Die Erhebung erfasst die Überreichen unzureichend. Erstens sind sie per Definition eine kleine Gruppe, zweitens verweigern sie häufiger die Teilnahme an der Befragung und drittens unterschätzen sie öfter ihr eigenes Vermögen. Während andere Länder im Euroraum mit verschiedenen „Oversampling“-Methoden versuchen, mehr reiche Haushalte in der Stichprobe zu erreichen, verzichtet Österreich bislang auf diese Methode.

Mit wissenschaftlichen Schätzungen ist es aber im Nachhinein noch möglich, der wahren Vermögenskonzentration näherzukommen. Dafür werden zum Beispiel journalistische Reichenlisten etwa von „Forbes“ oder „Trend“ ausgewertet oder die Befragungsdaten mit staatlichen Statistiken zum Gesamtvermögen verglichen. Egal welche Methode Studien in der Vergangenheit verwendet haben, der Anteil des reichsten Prozents ist deutlich höher als in den Befragungsdaten. Während die neuesten Rohdaten dem reichsten Prozent etwa 17 Prozent des Gesamtvermögens zuschreiben, ergab die Hinzuschätzung der Überreichen in vergangenen Erhebungen Vermögensanteile der Top 1 Prozent von über 40 Prozent.

Auch die ca. 3.000 Privatstiftungen mit einem geschätzten Finanzvermögen von etwa 100 Milliarden Euro sind in den HFCS-Daten praktisch nicht erfasst. Diese methodische Lücke trägt ebenfalls dazu bei, dass die Vermögensforschung in Österreich die wahren Dimensionen der Konzentration nur annähernd abbilden kann.

Hohe Erbschaften treiben die Ungleichheit

Vermögensungleichheit lässt sich kaum durch unterschiedliche Leistung oder Sparanstrengungen erklären – sie ist zu einem großen Teil das Ergebnis von Erbschaften und Schenkungen. Etwa 40 Prozent der österreichischen Haushalte haben bisher eine Erbschaft oder Schenkung erhalten. Doch diese Vermögenstransfers sind extrem ungleich verteilt: Während im untersten Vermögensfünftel, also jenen 20 Prozent der Haushalte mit dem geringsten Vermögen, nur 19 Prozent geerbt haben, waren es im reichsten Vermögensfünftel 70 Prozent. Dabei unterscheidet sich nicht nur die Häufigkeit der Erbschaft, sondern auch die Höhe. Im Schnitt erben österreichische Haushalte 222.000 Euro. Die reichsten erben mit etwa 436.000 fast doppelt so viel, Haushalte im untersten Fünftel jedoch nur einen Bruchteil davon, etwa 33.000 Euro.


© A&W Blog


Der HFCS bietet darüber hinaus noch weitere Erkenntnisse zur ungleichen Verteilung von Erbschaften. Unter Selbstständigen haben bereits mehr als die Hälfte der Haushalte geerbt, unter den Landwirt:innen ist es sogar die große Mehrheit (84 Prozent). Im Vergleich dazu haben unter den Beamt:innen 43 Prozent und unter den unselbstständig Beschäftigten nur etwa ein Drittel eine Erbschaft erhalten. Bei den Arbeitssuchenden ist der Anteil mit 30 Prozent am geringsten. Studien zur Ungleichheit bei Erbschaften, die zum Beispiel Wiener Gerichtsakten auswerten, zeigen eine noch ungleichere Verteilung als in den Rohdaten. Hiernach erhalten die höchsten 1 Prozent der Erbschaften mehr als ein Drittel des Erbvolumens. Auch hier zeigt sich der Vermögensunterschied der Geschlechter, Männer vererben im Schnitt um ein Viertel mehr.

So erhöhen Erbschaften die Vermögenskonzentration an der Spitze der Verteilung. Etwa ein Drittel der Vermögensungleichheit lässt sich allein auf Erbschaften zurückführen. Andere familiäre Vorteile, wie das Vererben von Bildung oder Kontakte in die Berufswelt, sind dabei noch nicht miteingerechnet. Sie ermöglichen es somit vermögenden Familien, ihren Status über Generationen hinweg zu sichern und zu festigen.

Zeit für eine  Erbschaftssteuer in Österreich

Fast alle westeuropäischen Länder erheben Erbschafts- und Schenkungssteuern. In Deutschland wird vom „Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung“ aktuell sogar eine Reform zur Erhöhung der Steuer gefordert. Seit der Abschaffung der Erbschaftssteuer im Jahr 2008 gehört Österreich zu jenen wenigen europäischen Ländern, die Vermögenstransfers praktisch nicht besteuern, mit dem Ergebnis, dass Vermögen in keinem anderen EU-Land so stark konzentriert sind.

Eine Wiedereinführung der  Erbschaftssteuer ist aus mehreren Gründen dringend notwendig:

1) Sie entspricht dem Prinzip der Leistungsgerechtigkeit: Leistungslose Vermögenszuflüsse sollten stärker besteuert werden als Arbeitseinkommen.

2) Sie dämmt die Vermögenskonzentration ein, wenn hohe Erbschaften stärker besteuert werden als kleinere.

3) Sie trägt zur Deckung der steigenden Finanzierungsbedarfe durch die demografische Entwicklung, beispielsweise im Pflegebereich, bei.

4) Die aktuelle Budgetkonsolidierung wird großteils von Ausgabenkürzungen getragen, während große Vermögen kaum etwas beitragen.

Eine zeitgemäße  Erbschaftssteuer sollte progressiv ausgestaltet sein: Je höher die Erbschaft, desto höher der Steuersatz. Großzügige Freibeträge stellen sicher, dass kleine Vermögensübertragungen vollständig steuerfrei bleiben. Bei einem Freibetrag von einer Million Euro wären nur etwa 0,2 Prozent der Erbfälle steuerpflichtig. Das heißt: Für 99,8 Prozent aller Erb:innen ändert sich nichts. Das potenzielle Steueraufkommen ist dennoch beträchtlich. Selbst mit einem solch hohen Freibetrag lägen die jährlichen Einnahmen bei etwa 1,4 bis 1,8 Milliarden Euro. Durch das künftig steigende Erbvolumen würde sich das erwartete Steueraufkommen bis ins Jahr 2050 auf knapp 3 Milliarden Euro pro Jahr verdoppeln.

Ein größerer Steuerbeitrag der Vermögenden ist nötig

Eine progressive Erbschaftssteuer mit großzügigen Freibeträgen sollte durch laufende Steuern auf große Vermögen ergänzt werden, um nicht nur Transfers, sondern auch sehr hohe Vermögensbestände selbst zu erfassen. Auch die Senkungen von Körperschafts- und Unternehmenssteuern in den letzten Jahrzehnten haben zu den Reichsten umverteilt, weil nur wenige Haushalte überhaupt Unternehmensanteile oder Wertpapiere besitzen und von den Steuersenkungen profitieren.

Ein größerer Steuerbeitrag aus den Vermögen würde nicht nur für mehr Verteilungsgerechtigkeit sorgen, sondern auch die Finanzierung des Sozialstaats auf eine breitere Basis stellen. Denn während Arbeitseinkommen und Konsum in Österreich mehr als 80 Prozent des Steueraufkommens ausmachen, tragen vermögensbezogene Steuern weniger als 2 Prozent zu den Staatseinnahmen bei. Diese Schieflage muss korrigiert werden.

Fazit: Politik muss jetzt handeln

Die Vermögenskonzentration in Österreich bleibt auch laut aktuellsten Daten auf extrem hohem Niveau. Erbschaften tragen maßgeblich dazu bei, diese Ungleichheit zu verfestigen und über Generationen fortzuschreiben. Eine Erbschaftssteuer mit großzügigen Freibeträgen und progressiven Steuersätzen würde die große Mehrheit der Bevölkerung nicht betreffen, aber einen wichtigen Beitrag zu mehr Verteilungsgerechtigkeit, einer sozial ausgewogenen Budgetkonsolidierung und einer breiteren Finanzierung des Sozialstaates leisten. Die Tür für politischen Wandel steht nun weit offen: Die Rufe aus Wissenschaft, Wirtschaftsforschungsinstituten, internationalen Institutionen und Zivilgesellschaft werden lauter. Jetzt kann die Politik beweisen, dass sie diese Rufe ernst nimmt und die Vermögenskonzentration mit all ihren negativen Begleiterscheinungen eindämmen möchte.

Creative-Commons-Lizenz CC BY-SA 4.0: Dieser Beitrag ist unter einer Creative-Commons-Lizenz vom Typ Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International zugänglich. Um eine Kopie dieser Lizenz einzusehen, konsultieren Sie http://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/. Weitere Informationen https://awblog.at/ueberdiesenblog/open-access-zielsetzung-und-verwendung