Voll­beschäfti­gung in weiter Ferne. Zur neuen WIFO-Prognose

18. Dezember 2025

Zum Jahreswechsel verbreiten die Wirtschaftsforschungsinstitute zaghaften Optimismus: Die Wirtschaft wächst 2026 laut WIFO um +1,2 Prozent, getragen von der zunehmenden Erholung der Industrie. Schlecht sieht es hingegen am Arbeitsmarkt, im Kampf gegen die Klimakrise und bei der Inflation aus. Die Wirtschaftspolitik sollte nun genau hier nachlegen: mit beschäftigungsstärkenden Maßnahmen, Investitionen und preisdämpfenden Maßnahmen. 

Rezession am Arbeitsmarkt noch nicht überwunden 

Die österreichische Volkswirtschaft expandiert wieder. Durch eine zuletzt wieder stärkere Industriekonjunktur und leicht steigenden Privatkonsum war das Plus 2025 mit 0,5 Prozent höher als bisher erwartet. Für 2026 wird vom WIFO sogar ein Gesamtwirtschafts-Wachstum von +1,2 Prozent erwartet. Erste Anzeichen für die Erholung der Industrie kommen etwa vom WIFO Konjunkturtest, der eine Aufhellung der Unternehmensstimmung anzeigt, sowie vom Bank-Austria-Einkaufsmanagerindex, der zum ersten Mal seit Sommer 2022 wieder überwiegend Zuversicht verbreitet. Die Baukonjunktur profitiert im Bereich Wohnbau allmählich von sinkenden Kreditzinsen, während die öffentlichen Einsparungen und Verschiebungen von Bauprojekten dämpfende Effekte haben. 

Die zweijährige Rezession ist zwar laut Prognose überwunden, die reale Wirtschaftsleistung pro Kopf wird das Vor-Pandemie-Niveau von 2019 aber erst im Jahr 2026 wieder erreichen. Wohlstandsorientierte Wirtschaftspolitik muss aber ohnehin noch weitere Ziele wie gute Beschäftigung, eine intakte Umwelt, Preisstabilität oder die Verringerung von Armut und Ungleichheit in den Blick nehmen.  

Am Arbeitsmarkt ist die Rezession noch nicht überwunden. Fast 400.000 Personen waren im November arbeitslos oder in Schulung, ein Zuwachs von 4 Prozent im Vorjahresvergleich. Die Arbeitslosigkeit stieg den 32. Monat in Folge. Lediglich in der Arbeitskräfteüberlassung sind zaghafte Verbesserungen zu beobachten. Die Arbeitslosigkeit im Gesundheits- und Sozialbereich steigt überproportional stark, allerdings von einem niedrigeren Niveau aus. Drei Viertel der Beschäftigten dort sind Frauen. Hier rächt sich, dass die Anhebung des Frauen-Pensionsantrittsalters mit zu wenigen Maßnahmen begleitet wird, die ältere Frauen in Beschäftigung halten. 2026 soll die Anzahl der arbeitslosen Personen laut WIFO lediglich um 4.000 zurückgehen, die Arbeitslosenquote sinkt minimal auf weiterhin hohe 7,3 Prozent. 

© A&W Blog


Die Armutsgefährdung geht laut WIFO-Prognose zwar leicht auf 13,8 Prozent zurück, nach mehreren Jahren Teuerungskrise ist die Anzahl der erheblich materiell und sozial benachteiligten Personen aber auf einen Höchststand von 336.000 gestiegen. Durch aktuelle Budgetkürzungen sind Tausende subsidiär Schutzberechtigte von Delogierungen bedroht, auch der Anstieg der Langzeitarbeitslosigkeit führt zu einer Zunahme der Armut. Der Rückgang der Armutsgefährdung in der Prognose erklärt sich einerseits durch die insgesamt leicht sinkende Arbeitslosigkeit, andererseits dadurch, dass Pensionseinkommen im Durchschnitt seit 2024 stärker wachsen als die Löhne und somit niedrige Pensionseinkommen im Vergleich zu den Erwerbseinkommen etwas aufholen. Die Einkommensungleichheit bleibt am Höchststand der letzten 20 Jahre: Das reichste Fünftel hat 4,4-mal so viel verfügbares Einkommen wie das ärmste Fünftel.  

Die Klimakrise kann nicht warten 

Das Ziel der Klimaneutralität scheint ebenfalls in die Ferne zu rücken. Die Treibhausgasemissionen stagnieren 2025, für 2026 prognostiziert das WIFO einen Rückgang von lediglich 1,8 Prozent. Die Emissionen sollten jedoch durchschnittlich zumindest um 5 Prozent pro Jahr reduziert werden, um die nationalen Ziele bis 2030 zu erreichen.

Insbesondere in den Städten und Gemeinden ist der Investitionsbedarf in den Klimaschutz enorm. Kommunale Gebäude müssen saniert, der öffentliche Verkehr ausgebaut und der Umstieg auf erneuerbare Energie und Wärme forciert werden. Dazu benötigen Städte und Gemeinden geschätzt 1,3 bis 2,2 Mrd. Euro jährlich zusätzlich

Teuerung trifft unteres Einkommensdrittel besonders hart 

Die Teuerungskrise hat uns bereits seit vier Jahren im Griff. Insbesondere die gestiegenen Kosten für Mieten, Nahrungsmittel und Energie machen vielen Haushalten zu schaffen. Heuer beträgt die Inflationsrate voraussichtlich +3,5 Prozent, nächstes Jahr wurde die Prognose der Inflationsrate auf +2,6 Prozent angehoben, nachdem in der Sommerprognose noch +2,0 Prozent erwartet wurden. 

Demgegenüber halten nicht alle Einkommen mit der Teuerung Schritt. Die Kollektivvertragslöhne sind seit 2020 zwar um 27 Prozent gestiegen, die Löhne pro Kopf insgesamt jedoch weniger stark. Die Pro-Kopf-Nettolöhne sind seit 2020 real um 0,4 Prozent gesunken und sollen auch in den kommenden zwei Jahren weiter sinken. Neben der Einkommensentwicklung spielen auch die Einkommensniveaus eine wesentliche Rolle. Wer in einer Niedriglohnbranche arbeitet, ist von der Teuerung stärker betroffen. 2024 erhielten 240.000 Personen einen Stundenlohn von weniger als 13,46 Euro und lagen damit unter dem ÖGB-Mindestlohnziel von hochgerechnet 2.000 Euro brutto monatlich, 14-mal im Jahr. Für Arbeitslose ist die Lage besonders prekär. Das Arbeitslosengeld wird überhaupt nur minimal an die Teuerung angepasst. 

Vielen Haushalten ist es auch nicht möglich, einen finanziellen Puffer zu schaffen, um Reserven zur Verfügung zu haben. Neue Erhebungsdaten der Statistik Austria zeigen, dass ein Drittel der österreichischen Bevölkerung monatlich gar nichts sparen kann. Unter von Arbeitslosigkeit betroffenen Haushalten kann sogar nur weniger als die Hälfte etwas monatlich auf die Seite legen. Es überrascht daher nicht, dass mehr als drei von zehn von Arbeitslosigkeit betroffene Haushalte Schwierigkeiten haben, mit ihrem Einkommen überhaupt die laufenden Ausgaben des Haushalts zu tätigen. Daher sollten weitere Maßnahmen zur Bekämpfung der Teuerung getroffen werden, beispielsweise im Lebensmittelbereich. Haushalte, die in den letzten Monaten schlechter ausgekommen sind als zuvor, gaben besonders höhere Ausgaben für Lebensmittel als große Belastung an. 

Maßnahmen Richtung Voll­beschäftigung 

Die Lage am Arbeitsmarkt erfordert politisches Gegensteuern und Handeln. Dabei geht es weniger um ein „klassisches Konjunkturpaket“, wie das Baukonjunkturpaket vom Frühling 2024 oder die kürzlich beschlossene Verdoppelung des Investitionsfreibetrags, sondern darum, dass die negativen Beschäftigungseffekte der Konsolidierung adressiert werden. Nach der Stabilisierung der Beschäftigung braucht es mittelfristig zusätzliche strukturelle Maßnahmen, die hohe Beschäftigungseffekte haben und Beschäftigte in besser bezahlte, produktivere oder gesellschaftlich wertvolle Jobs bringen. 

  • Stärkung der Daseinsvorsorge: Die lange Rezession hat zur Verschlechterung der budgetären Lage beigetragen. Die Kürzungen der verschiedenen Gebietskörperschaften führen nun dazu, dass die öffentliche Beschäftigung und insbesondere die Daseinsvorsorge nicht ausreichend ausgebaut wird. Zusätzlich zum pensionsbedingten Ersatzbedarf würden bis 2030 mehr als 154.000 Personen in der Gesundheitsversorgung, Langzeitpflege und der Elementarpädagogik sowie im öffentlichen Verkehr benötigt, um Überlastungen und Personalnotstände zu beheben und Angebote auszubauen
  • Stärkung der Arbeitsmarktpolitik und Bekämpfung der Langzeitbeschäftigungslosigkeit: 140.000 Menschen sind langzeitbeschäftigungslos und von Armut bedroht. Die Aktion 55 plus für ältere Langzeitarbeitslose muss langfristig finanziell abgesichert und schrittweise ausgebaut werden. Statt Kürzungen im AMS-Budget braucht es ausreichend Mittel. 
  • Qualifizierungsoffensive: Wirtschaftliche Modernisierung und ökologische Nachhaltigkeit können nur gelingen, wenn es entsprechend qualifizierte Beschäftigte gibt. Hier ist ein umfassender Ansatz gefragt, der sowohl Arbeitssuchende wie auch Beschäftigte umfasst. Dafür sollte ein Qualifizierungsgeld eingeführt und mit einem Rechtsanspruch auf Weiterbildung verbunden werden.  
  • Altersgerechte Arbeitsplätze und Sanktionen bei Altersdiskriminierung: Damit Menschen bis zum Pensionsantritt in Beschäftigung bleiben können, braucht es altersgerechte Arbeitsplätze und ein Bonus-Malus-System für Betriebe

Finanzierung wäre möglich und wohlstandsfördernd 

Österreich konsolidiert derzeit das Budget. Das ist allerdings eine mittelfristige Herausforderung. Auch die reformierten EU-Fiskalregeln lassen Spielräume im hohen dreistelligen Millionenbereich, deren kurzfristige Nutzung die Konsolidierung nicht gefährden würde. Gemessen an der aktuellen Arbeitsmarktlage sollten diese Mittel gezielt für den Beschäftigungsausbau eingesetzt werden. 

Mittelfristig sollte der Spielraum konjunkturschonend durch weitere einnahmenseitige Maßnahmen gestärkt werden. Insbesondere eine Erbschaftssteuer kommt hierfür infrage: Selbst mit hohen Freibetragen lägen die jährlichen Einnahmen derzeit bei über einer Milliarde Euro und würden mit dem steigenden Erbvolumen bis 2050 entsprechend steigen. Damit könnten etwa die steigenden Pflegeausgaben gedeckt werden. Auch für die notwendigen Klimainvestitionen sind Finanzierungsmöglichkeiten vorhanden oder können geschaffen werden – von einer höheren Lkw-Maut über staatliche Garantien und Kredite für den Netzausbau bis hin zur Einführung eines europäischen Klimainvestitionsfonds. Deutschland zeigt mit seinem „Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaneutralität“, dass in der aktuellen Situation neue Finanzierungsmöglichkeiten geschaffen werden sollten. 

Fazit 

Die österreichische Volkswirtschaft wächst wieder, aber der Arbeitsmarkt, die Teuerung und Klimapolitik bleiben Sorgenkinder. Gerade in Zeiten schwachen Wirtschaftswachstums stellt sich die Frage, wofür wir wachsen wollen. Notwendig sind gezielte Impulse in beschäftigungsintensive und gesellschaftlich zentrale Bereiche wie Pflege, Gesundheit und Bildung sowie in den ökologischen Umbau. Diese Investitionen verbinden wirtschaftliche Erholung mit sozialem Fortschritt und Klimaschutz.

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